Christel Fetzer Texte
     
   
   
  Katalogtext von Philippe Van Cauteren zu "Where do you catch the bus for tomorrow"
  "Burning Wood" von Susanne Burmester
  Lean On Me * von Philippe Van Cauteren zu "...es war Tom Sawyer"
  Out Of Sight - von Jochen Heufelder
  Die Chromatik der Gummibänder - von Manfred Schneckenburger
  WYSIWYG von Philippe Van Cauteren zu "ENTREZ"
  Baumblühn, von Bernhart Schwenk
  GRÜNGRÜNGRÜN von Bettina Dziembowski
   
   
  Katalogtext von Philippe Van Cauteren zu "Where do you catch the bus for tomorrow"
Brief (1) : an Christel Fetzer

Ich habe mich entschlossen, Dir einen Brief zu schreiben. Texte über Kunst sind oft zu abwesend und zu distanziert. Von dem Autor wird eine Wahrnehmung von Kunst verlangt, die sich in ihrer Objektivität verliert. Deinen Arbeiten gegenüber will ich aber nicht objektiv sein. Ich will über das schreiben, was ich sehe und ersehne. Es ist ja nicht zufällig, dass ich einen älteren Text über deine Arbeiten WYSIWYG (What you see is what you get) genannt habe. Ein direktes – fast phänomenologisches – Erfahrungsdenken. Der Anlass dafür war deine Beteiligung an einer Ausstellung in der Fuhrwerkswaage in Köln. Entrez-vous war der Titel der Arbeit. Aber es könnte genausogut Entre nous genannt werden. Zwischen uns. Für mich hat die Entdeckung und Wahrnehmung deiner Arbeiten nämlich immer mit einer Begegnung oder Konfrontation zu tun. Es ist eine Begegnung mit einem Objekt, das ich sowohl als Skulptur, Malerei und Installation deuten kann. Es ist eine Wahrnehmung von Oberfläche, Details und von Form. Aber es ist auch eine Begegnung mit der Kunstgeschichte. Deine Formengrammatik und die verwendeten Materialien erinnern mich an kunsthistorische Positionen aus den 60er und 70er Jahren. Aber es ist mehr und anders. Mit deinen Arbeiten irritierst du die Kunstgeschichte. Du machst durch die Verwendung von oft giftig farbigen Flächen deine zeitgenössische Korrektur von einem existierenden skulpturalen Korpus. Ich bin bei deinen Arbeiten immer fasziniert gewesen durch das, was ich am besten umschreiben kann als ‘selbstverständlich’ oder ‘funktional’. Holzlatten stehen angelehnt gegen ein Betonvolumen, so wie sie dort immer gestanden haben. Und bei Out of sight hat sich neben ein Gartenhaus ein aus unterschiedlichen Teilen geformtes Holzvolumen niedergelassen, das scheinbar schon immer da war. Ich möchte ja in diesem Zusammenhang doch gerne ein kurzes Zitat von meinem Freund – dem Zoologen und Kunsthistoriker – Dr. Martin von Ringleben anbringen. In einem Text (Lean on me, Detmold 2003) über deine Arbeit hat er folgendes geschrieben: „Fetzer lässt Holz lehnen. Die Arbeit liest sich wie eine 24 Meter lange polychrome Partitur. Die Farben werden zu Tönen der Installation, die unterschiedlichen Dimensionen wirken als serielle Rhythmisierung. Das Lehnen verspricht uns eine Ambiguität. Ist es eine Skulptur, die zur Malerei wird? Oder ist es eine Malerei, die sich als Installation bezeichnen lässt? Das einzige was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass sich verschiedene Holzformen ganz natürlich an einen Betonkörper lehnen. Und dies mit eine formalen Klarheit, als wäre es die Künstlerin selbst, die sich an die Seilreisanlage lehnt.“ Auch von Ringleben hat es – hier im Bezug auf die Detmolder Arbeit - über deine Selbstverständlichkeit. Oder schaffst du es nur den Betrachter Kunst als selbstverständlich anzubieten? Aber jetzt komm ich wieder zu diesem ‘zwischen’. Deine Arbeiten setzen sich nicht nur mit einem ‘zwischen Betrachter und Arbeit’ auseinander. Noch viel mehr, mit dem was sich zwisschen dem Kontext und deiner Arbeit abspielt. Oder im Innen- oder Aussenbereich abspielt, jedes mal wird die Architektur oder die Umgebung Teil deiner Arbeit. Die Autonomie deiner ‘Skulpturen’ ist in einer atmosphärischen Verbindung mit dem Kontext zu finden. Ich könnte das Wort klimatologisch im diesem Rahmen anwenden. Ein Gefühl für Wahrnehmung und Verständnis, das weiter geht als nur formale räumliche Qualitäten. Etwas was ich in deinen Arbeiten wieder finde und eigentlich von jeder Kunst erwarte. Fetzer’s Holzwege.


Philippe Van Cauteren, Lyon, September, 2005

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Burning Wood von Susanne Burmester

Wie ein unterirdisches Zwillingspaar liegen unter den Nutzräumen des Alten Rentamtes nahe der Kirche St. Marien zwei weiß getünchte Gewölbekeller ungefähr gleicher Abmessung. Kellerfenster öffnen sich zur Kirchstraße hin. Eine steile Kellertreppe aus Stein führt hinunter....Christel Fetzer nutzt das hintere Gewölbe, das durch einen offenen Zugang zu erreichen ist. Betrachter betreten den Raum und befinden sich mitten in der Installation. Die Stirnseite besteht aus groben Feldsteinen. Ihren kalten Glanz und die Farbigkeit der Findlinge bezieht die Künstlerin in ihre Arbeit ein.

Christel Fetzer hat mit ihrer Installation „Burning Wood“ eine Arbeit entwickelt, die sich auf den spezifischen Ort bezieht. Schon beim Eintritt in das Alte Rentamt ist aus dem Gewölbekeller ein Knistern vernehmbar, knallende Geräusche aufsprühender Funken verstärken den Eindruck, dass ein Feuer brennt. Im Keller liegen Scheite von Birkenholz, ein kaltes Feuer brennt in Echtzeit als Projektion. Lautsprecher und Kabel, teilweise mit Klebeband in Leuchtfarben verkleidet, machen die Künstlichkeit der Installation deutlich. Spiegelfolie bedeckt den Boden und multipliziert vielgestaltig die Projektionsfläche.
„Burning Wood“- was klingt wie der Name eines amerikanischen Indianerhäuptlings ist eine zielgenaue Auseinandersetzung mit den Mythen der Romantik und zugleich eine Arbeit von höchster Brisanz, die dem Projekt „Wunderblumen“ die Perspektive des Abgrundes hinzufügt. Das kalte Höllenfeuer in den Katakomben nahe der Kirche St. Marien, im Untergrund der Altstadt, dem nostalgischen Sehnsuchtsort, die Geschichte der großen Stadtbrände, die Apotheose der Lagerfeuerromantik mit einer düsteren Perspektive zu Verschwörungstheorien – all dies manifestiert sich in dieser temporären Installation.

Susanne Burmester

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  Lean On Me * von Philippe Van Cauteren

Wer kennt nicht das PHOTO VON Pablo Picasso, auf dem er mit gespreizten Beinen und gekreuzten Armen in seinem Atelier vor reiner seiner Malerinnen steht. An diesem Photo interessiert mich nicht der Künstlermythos Pablo Picasso, sondern die Art und Weise, wie er seine Malereien nicht hängt, sondern einfach an die Wand lehnt und auf den Boden stellt. Schaut man sich mehrere Photos von Künstlerateliers des 19. und 20. Jahrhunderts an, dann könnte das Lehnen zum Studienobjekt werden. Lehnen ist eigentlich ein Zustand oder eine Handlung, die kulturell und menschlich ist. Nur der Mensch lehnt sich an etwas oder lässt Objekte lehnen. Lehnen ist eine Pose, eine Haltung, die eine bestimmte Affekte wie zum Beispiel Männlichkeit, Selbstsicherheit und Kraft inkorporiert.
Auch in der Bildanalyse von Hollywoodfilmen würde das Lehnen überraschende Ergebnisse enthalten.
Ist es Zufall, dass eher männliche Filmikonen wie James Dean, Humphrey Bogart oder Brad Pitt lehnen und nicht Gina Lollobrigida, Catherine Zeta-Jones oder Isabelle Huppert? Wenn Schauspielerinnen in Filmen wirklich lehne, spielen sie oft androgyne Rollen oder eine Mutter als Kern einer Familie. Auch in der Kunst gibt es viele Beispiele. Mit „Accretion“ (1968, Kroeller-Müller Museum, Otterlo, Niederlande)lässt die Künstlerin Eva Hesse (1936-1970) 50 Fiberglasröhren in einer lockren Reihe an der Wand lehnen. John McCracken (*1934) baut oft monochrom angemalte Objekte wie zum Beispiel „Painted Planks“ (1986), die durch das Lehnen ihre Ambivalenz zwischen Malerei, Skulptur und Objekt erreichen. Mark Manders hat in einem Supermarkt fünf Porreestangen und fünf Bohnen gegen einen Tiefkühlschrank lehnen lassen. Und der früh gestorbene Künstler André Cadéré (1934-1978) hat seine polychrome Holzstäbe („Barres de Bois“) jedes mal gegen eine Wand lehnen lassen.
Dieses kurze thematische Verweilen bei der Geste des Lehnens wäre ohne Sinn, wenn ich es nicht in Verbindung zu der Arbeit „...es war Tom Sawyer“ von Christel Fetzer brächte. Durch das Lehnen mehrerer Holzplanken mit verschiedenen Längen, unterschiedlichen Formen, Texturen, Farben und Qualitäten lässt die Künstlerin eine ehemalige Seilspannanlage verschwinden. Fetzer lässt Holz lehnen. Die Arbeit liest sich wie eine 24 Meter lange polychrome Partitur. Die Farben werden zu Tönen der Installation, die unterschiedlichen Dimensionen wirken als serielle Rhythmisierung. Das Lehnen verspricht uns eine Ambiguität. Ist es eine Skulptur, die zur Malerei wird? Oder ist es eine Malerei, die sich als Installation bezeichnen lässt?
Das Einzige was man mit Sicherheit sagen kann ist, dass sich verschiedene Holzformen natürlich an einen Betonkörper lehnen. Und dies mit einer formalen Klarheit, als wäre es die Künstlerin selbst, die sich an die Seilspannanlage lehnt.


Martin von Ringenleben. Nürnberg, Oktober 2003


* Lean On Me: Titel eines Songs des amerikanischen Songwriters Bill Withers (1938, Slab Fork, west Virginia, USA), 1972. Bekannt durch ausgezeichnete Lieder wie „Ain´t no sunshine when she´s gone“ und „Just the two of us“.

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Out Of Sight - von Jochen Heufelder

Das Leben in einer Schrebergartenkolonie ist geprägt von der Gestaltung der eigenen Parzelle wie auch dem Bestreben, möglichst erfolgreich zu pflanzen und zu ernten. Die vorgegebene Unterteilung in den Nutz- und Zierbereich mag da Beschränkung sein, wer hier jedoch einen Garten pachtet, weiß vorher um diese Rahmenbedingungen. Der Aufwand, der betrieben werden muß, um einer „Scholle“ möglichst hohe Erträge abzuringen, ist mitunter recht hoch.
Zahlreiche Kleingärtner konzipieren und bauen Hilfskonstruktionen, die etwa bei der Anzucht von Gemüse eine wertvolle Unterstützung darstellen. Tomatenüberdachungen, Rankgerüste für Bohnen, Stellagen für Anzuchthäuser etc.. aber auch Zäune werden gesetzt, und hin und wieder wird die Laube umgebaut. Handwerklich gibt es immer was zu tun, die Kolonie ist letztlich auch geprägt von einer gewissen Emsigkeit.
Überzählige Holzelemente, alte Gartengeräte, Zaunreste etc., all dieses wird auf bewahrt, weil man „es noch mal gebrauchen könnte“. Dies ist kein spezifisches Kleingärtnerphänomen, eher eine weit verbreitete Eigenschaft all derer, die selbst Hand anlegen. Und so entstehen Ecken, Nischen und Verschläge, in denen Restmaterial und auf Vorrat billig Erworbenes (auch Gesammeltes) aufbewahrt wird. In der Regel befindet sich diese Materialsammlung in der Kleingartenkolonie hinter den Lauben, den Blicken möglicher Besucher, aber auch den eigenen Blicken entzogen. Nur das Wissen um diesen Fundus beruhigt den Pächter.
Christel Fetzer, eine Künstlerin, deren bevorzugtes Material Holz in unterschiedlichsten Arten ist, greift das Phänomen des verborgenen privaten Materiallagers auf und bringt es vorsichtig und unaufdringlich in die – private – Öffentlichkeit. Neben der Gartenlaube der Familie Bendermacher schichtet sie einen Holzstapel mit unterschiedlichen Brettern und Hölzern auf, flache Holzbohlen, Dachlatten, Spanlattenresten und vorgefertigten Zaunelementen. Die Palette reicht vom Sägewerk- Rohprodukt bis zur Kantengesäumten Fertigware.
Und dennoch stellt sich die Frage: ist dieser Holzstapel eine rein zufällige Sammlung oder eher ein Bausatz? Unterschiedlich farbige Klebebänder z.B. bündeln dünne gehobelte Balken oder die flachen Staketenzaunelemente. An der Frontseite erkennt man weitere Gruppierungen verschiedener Balken und Platten. Am hinteren Ende kragen die Hölzer unterschiedlich aus, vorne bilden sie eine gemeinsame Fläche, Resultat eines Ordnungsprinzips. Auffällig auch die stark farbigen, von der Künstlerin in kräftigen Tönen gestrichenen Holzteile. Der sorgsam geschichtete Holzstapel ist zum Schutz gegen Regen unter dem Dachüberhang der Laube platziert.
Christel Fetzers Holzstapel wirft mehr Fragen, auf als er Antworten bietet.
Material und vermeintliche Belanglosigkeit machen ihn nicht zum Fremdkörper im Garten, eher zu einem normalen Bestandteil. Komposition und Konstruktion dieser geschichteten Skulptur hingegen geben ihm etwas Artifizielles. Seine weitere Verwendung ist offen, der Phantasie des Betrachters überlassen. Die Platzierung zwischen Laube und Schuppen, beide ebenfalls aus Holzlatten und –balken konstruiert, mag eine Orientierungshilfe bieten.

Jochen Heufelder, Privatgrün, Kunst im privaten Raum, Köln 2004

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  Die Chromatik der Gummibänder - von Manfred Schneckenburger
zu "Surrounded Concret"

Nahe bei den vier Ecken des rektangulären Gartenareals stehen vier kubische Sockel. Früher trug jeder von ihnen eine Skulptur. Heute stehen sie leer – eine Herausforderung für Künstlerinnen und Künstler. Heinz Breloh erneuerte die ursprüngliche Funktion und platzierte große Terrakottaschalen mit Cupidofiguren darauf. Die Brüder Maik und Dirk Löbbert machten sie zur Basis riesiger Luftballons, die über dem Gartenviert ein imaginäres stereometrisches Gerüst aufrichteten und es wie fliegende Bojen markierten.

Christel Fetzer wählt einen vollkommenen anderen Ansatz. Sie macht die Sockel selber zum Thema und gibt jedem die Qualität eines Ecksteins besonderer Art. Sie verdichtet die leicht verschluderte Geometrie des Grundrisses - ein rechtwinkliges Wegsystem, niedrige Terrassen, geschnittene Hecken – in vielfach repetierten Horizontalen. Sie zieht dabei ca. 150 Meter waagrechter Linien über jeden Block. Diese Eckmarkierungen bindet die Wege zusammen und gibt ihnen viermal starken Halt. Sie verspannt das Gelände durch Pointierung und nimmt es in den Griff. Der Garten gewinnt ein Stück seiner ehemaligen regulierenden Energie zurück. Deshalb vergleicht die Künstlerin ihre Arbeit zu Recht mit der eines Gärtners, „der versucht, eine Ordnung in die sonst wilde wuchernde Natur zu bringen“.
Christel Fetzer umspannt jeden Sockel mit ca. 50 „Deusserbändern“ – das sind industriell gefertigte Gummibänder in den Farben rot und blau. Die roten Bänder sind jeweils 3 cm, die blauen 1,5 cm breit und wechseln in regelmäßigen waagerechten Lagen. Der Sockel wird nahezu vollständig umspannt und verwandelt sich in ein farbiges Signal. Wegen seiner doppelten Breite dominiert Rot. Es nimmt überdies komplementären Kontakt zur grünen Umgebung auf und wird dadurch noch verstärkt. Das Blau, ohnedies flüchtiger, zieht sich wie in waagerechte Nischen zurück, doch es reicht aus, um das Rot in ein flirrendes Violett zu brechen. Je weiter wir uns entfernen, desto enger verschmelzen die Farben. Im Wechsel von Nähe und Distanz nehmen die Sockel so die ganze Weite des Gartens, den landschaftlichen Raum in sich herein. Eine komplexe Interaktion der Farben – weit über den einfachen Kontrast hinaus.

Beziehungen zur Malerei sind nicht zu übersehen. Denn die Sockel werden nicht nur horizontal strukturiert, sondern chromatisch interpretiert. Frontal oder von der Seite gesehen, ergeben sich Farbfelder, die an einschlägige Bilder erinnern. Auch ein Schuß Op-Art kommt ins Spiel. Dennoch zielt Christel Fetzer auf keine malerische Strategie. Wie ihr Lehrer Ruthenbeck antwortet sie auf einen harten Kern mit einem weichen Material. Sie behauptet dabei durchaus ihre Authentizität, die stets um Farben kreist. Um Farben, die mit dem Material (in diesem Fall Gummi) vorgegeben sind. Der malerische Effekt geht im Objekt auf, das Objekt identifiziert sich mit dem malerischen Effekt.

Wir bleiben also im Raum einer künstlerischen Methode, die Farbe als Readymade übernimmt und setzt. Ich erinnere mich an die ersten, frühen Aquarelle von Christel Fetzer. Ein offenes Fließen, das im gestischen Psychisches freisetzt. Dann die Neuorientierung und Festigung: Pigment wird mit Wachs gemischt, aus dem Christel Fetzer massive Blöcke und Balken formt – Farben als Baumaterial zum Legen, Stellen, Schichten. Farbe als Objekt. Doch in Farbwahl und Komposition steckt immer noch ein privater und persönlicher Rest. Also geht die Künstlerin zu hochglänzenden Lackfolien über, die sie wie Kissenpolster unterfüttert. Sie erschließt sich damit ganze Rauminszenierungen zwischen kompaktester Nähe und kühler Abweisung. Mit „Deusserbändern“ im Vorgebirgspark weitet sie das ins Landschaftliche aus. An der Identität von Material und industriellem Kolorit hält sie fest. Die Gummizüge passen sich der Sockelform an, ziehen sie vielfach nach – und transzendieren sie durch ihre farbige Aktion. Sie bestätigen ihre Masse und lösen diese gleichzeitig auf. Ein Eingriff, der unsere Wahrnehmung des Parks in farbige Schwingung versetzt.


Manfred Schneckenburger

 
   
   
  WYSIWYG von Philippe Van Cauteren zu "ENTREZ"

1 .„Das reduzierte geometrische Formvokabular und die häufige Verwendung vorfabrizierter Elemente bis hin zur Mechanisierung des gesamten Herstellungsprozesses...“ Dieses Satzfragment ist kein Zitat aus einem Text über die neuen Arbeiten von Christel Fetzer – aber es könnte so sein. Der Satz stammt von Sebastian Egenhofer, der in Dumonts Begriffslexikon zur zeitgenössischen Kunst das Lemma Minimalismus unter die Lupe nimmt. Unabhängig davon ob Christel Fetzer sich an dem „historischen“ Minimalismus orientiert oder nährt, sicher ist, dass die Arbeitslogik und Materialverwendung des Minimalismus in Christel Fetzers Arbeiten latent anwesend sind: sie sind fortwährend schwanger mit Form und Raum.

2. Im Oktober 2003 realisierte die Künstlerin unter dem Titel „es war Tom Sawyer“ eine ortspezifische Installation für das art kite museum in Detmold. Außerhalb des Museums, einem damaligen Flugzeughangar, befindet sich eine 24 Meter Lange Seilreißanlage aus Beton. Gegen den geometrischen Betonkörper lässt Christel Fetzer über die ganze Länge unterschiedliche Holzstücke lehnen.
Die Holzbretter unterscheiden sich in Länge, Höhe und Breite und in der Textur und Holzqualität. Neben industriell angefertigten Holzteilen stehen zum Beispiel hell fluoreszent-orange angemalte Kleinteile und laminierte Holzplatten. Betrachtet man die Arbeit aus größerer Distanz sieht es aus, als wenn die Anlage hinter der polychromen Rhythmik von Christel Fetzers „Malerei“ verschwinden würde.

3. Beim verlassen von Christel Fetzers Atelier in Köln bekomme ich eine mit kleinformatigen Aquarellen in die Hand. „Und das ist was ich zu Hause mache“, sagt die Künstlerin. Die Aquarelle sind schnell gemachte, lebendige Wiederholungen von dem gleichen Motiv: Berge. Christel Fetzer ist im Grunde genommen eine Malerin. Aber eine Malerin die den Duktus des Malens hinter sich lässt und durch die Verwendung von industriell vorgefertigten Materialien (Lack, Plastikfolie, Klebebänder, Neonröhren, Deuserbänder, Holzsorten...) die Spannung zwischen Fläche, Form, Farbe und Raum untersucht. Reflexionen einer Spiegelfolie auf dem Boden sind ihr fast ebenso wichtig wie die eigentliche Arbeit. Manche Arbeiten verwandeln sich und bekommen in ihrer neuen Organisation und Gestalt eine andere Erfahrungsdynamik.

4. Für die Fuhrwerkswaage in Köln konzipiert Christel Fetzer die neue Rauminstallation „Entrez“. Weitergehend auf dem Arbeitsgedanken von Detmold basierend, konstruiert die Künstlerin eine Holzwand aus verschiedenen Teilen. Wie auch in Detmold sind die Charakteristika der Holzstücke unterschiedlich. In Köln aber ist die Arbeit horizontal orientiert, was beim Betreten des Raumes eine tiefe oder eine perspektivische Illusion schafft. Da durch ihre Arbeit eine Art Korridor entsteht, hat man einen fast körperlichen Bezug zu dieser Arbeit. Man erfährt die unterschiedlichen Qualitäten der Oberflächen, das Relief der Arbeit und eine fast zeitgenössische Variante eines „Bas-Relief“ – erfährt man nur wenn man Christel Fetzers eigentliche Ausstellungsfläche betritt: einen leeren Raum. Oder verraten Details in der „Bearbeitung der Leere“ Christel Fetzers Umgang mit Raum?

5. WYSIWYG. What you see is what you get. Ein bekannter Begriff aus dem Computer- und Softwarebereich. WYSIWYG ist eine Applikation, die jemandem die Möglichkeit gibt, auf dem Schirm genau das gleiche zu sehen, was er als Dokument ausdrucken würde. Auch in Christel Fetzers Arbeiten gilt: „Was man sieht, ist was man bekommt“. Oder „bekommt man dafür mehr?“ Werden einem nicht auch Fragen über die heutzutage mögliche Auseinandersetzungen mit Malerei oder malerischen Prinzipien angeboten?

Philippe Van Cauteren

 
   
   
  Baumblühn, von Bernhart Schwenk

„(...) Christel Fetzer besetzt eine kleine Wiese mit zersägten Baumstämmen, die sie auf den Schnittflächen mit Kreisen in unterschiedlichen Farben bemalt hat. Die Zeichen erinnern an die Markierung der Forstarbeiter, doch sie unterwerfen sich keinem System, und ihre Bedeutung bleibt offen. Die ornamentale Anordnung der Objekte betont die Ambivalenz im Zwischenbereich von Restnatur (Rodung) und Gartenmobiliar (Sitzgelegenheiten, Papierkörbe). Als Kunstwerk mit dem Titel Baumblühen verweist der Eingriff auf die strengen und zugleich malerischen Prinzipien des Schmuckgartens in der unmittelbaren Nachbarschaft (..)“

 
   
   
 

Pepperland
GRÜNGRÜNGRÜN
Von Bettina Dziembowski
Ausschnitt aus der Eröffnungsrede

...Die collagenhafte zusammengesetzte Verwendung von Alltagsmaterialien finden wir auch bei Christel Fetzer, hier im Raum über mir.
Sie hat Holz in seinen unterschiedlichsten Verarbeitungsformen gesammelt und auf dem Boden ausgebreitet: unbearbeitete, teils gebündelte Balken und Latten aus dem Baumarkt, beschichtete Regalbretter, Reste furnierter Schrankwände, ein blau gestrichener Balken mit grüner Patina, Holzpaletten, MDF-Platten. Unterschiedlichste Oberflächen, vieles ist wiedererkennbar – Möbelwerkstoffe der 70er Jahre, die IKEA-Küchenfront, ein paar Mosaikteilchen die an anderer Stelle in dieser Ausstellung übrig waren. Den Teilen wird ihre eigene Geschichte belassen, teilweise sind sogar die Barcodes vom Baumarkt noch erkennbar.
Ist es das? So eine Art Archiv der Holzbestände des Springhornhofs?
Spurensuche zur Alltagsgeschichte? Sicherlich ist es das, aber es ist viel mehr.
Bei genauem Hinsehen bemerkt man die sorgfältige Anordnung und Staffelung der Flächen. Einige sind gestrichen, andere im Urzustand belassen. Die genauste Wahrnehmung von Oberflächen, von Farben, Formen und Konstellationen wird herausgefordert.
Es hat etwas von Landschaft. Die braunen, grauen und grünen Farbtöne mit gelegentlich grell leuchtenden Einsprengseln sind sicherlich nicht zufällig gewählt. Auch die Anordnung der Flächen und ihre unterschiedlichen Höhen, wie der Rhythmus von Feldern- und Wäldern aus der Vogelperspektive, lässt diese Assoziation zu. Aber auch wie sich die Holzflächen in den Raum schieben, um die Treppe und die Holzbalken herum, so dass man um und über sie laufen muss, um die Veränderung der Szenerie aus verschiedenen Blickwinkeln zu beobachten zu können.
Anders als bei Nandor Angstenberger würde ich das Gefüge dennoch nicht als „Modell“ einer anderen Welt bezeichnen, eher würde ich vorschlagen, mit „klassischen“ Begriffen wie Malerei und Skulptur zu operieren – und bin mir dabei des grundsätzliches Modellcharakters von Malerei und Skulptur durchaus bewusst.
Jakob Möhring schreibt in einem Katalog von Christel Fetzer; „Hier entstehen keine geheimnisvollen und mystischen Kontexte. Alles ist klar erkennbar. Die Arbeit bedient sich einer gestalterischen Ausdrucksform, in der Inszenierung als Offenlegung und Reduzieren in eben jenem Sinn von Konzentration verstanden werden kann, die notwendige Voraussetzung jeglicher Sensibilisierung für elementare Wahrheit ist.“...